Das Bildungsministerium legte vor den Ferien einen ersten Entwurf von Änderungen des Schulgesetzes vor. Der VBE Sachsen-Anhalt nahm zu verschiedenen Änderungen im Schulgesetz Stellung. Die genaue Stellungnahme kann auf der Homepage

In dem vorgelegten Entwurf zur 18. Schulgesetznovelle ist an etlichen Stellen von Ermächtigungen des für das Schulwesen zuständigen Ministeriums oder der Ermächtigung der obersten Schulbehörde die Rede. Aus Sicht des VBE Sachsen-Anhalt sind diese Ermächtigungsverordnungen durchaus sinnvoll. In manchen Fällen kann aber so eine Ermächtigung auch an der Arbeit und am Einfluss des Parlaments vorbeigehen.

 

Zusätzliche Leistungserhebung in Klasse 4

So ist vorgesehen, dass im 4. Schuljahrgang neben den Beratungsgesprächen zusätzliche Leistungserhebungen durchgeführt werden sollen. Diese führen nur zu weiteren Belastungen in den Grundschulen. Bereits in Schuljahrgang 3 sollen schon erste Beratungsgespräche mit den Eltern erfolgen. Letzten Endes entscheidet der Elternwille über die weitere Schullaufbahn des Kindes.

Der VBE Sachsen-Anhalt empfiehlt daher die Streichung der vorgeschlagenen Ergänzung und die Beibehaltung der bisherigen Regelung.

 

Einschnitte in die Bildungslandschaft befürchtet

Die vorgelegten Änderungen bringen aus Sicht des VBE Sachsen-Anhalt die in den letzten Jahren gegründeten Gemeinschaftsschulen und vor allem die Beruflichen Gymnasien unter Druck. „Führt die Gemeinschaftsschule keine eigene gymnasiale Oberstufe, wählt sie ein Berufliches Gymnasium als Kooperationspartner.“ In Sachsen-Anhalt gibt es zurzeit keine Gemeinschaftsschulen mit einer eigenen gymnasialen Oberstufe. Die bestehenden Gemeinschaftsschulen in staatlicher Trägerschaft, die ein gymnasiale Oberstufe anbieten können, tun dies in Kooperation mit einem Gymnasium. Auch dies soll dann bald Geschichte werden.

Zugleich wird die Auswahlmöglichkeit für sich zu bildende Gemeinschaftsschulen eingeschränkt, da diese sich nicht mehr ein Gymnasium als Kooperationspartner suchen dürfen. Hinsichtlich der Beruflichen Gymnasien besteht der Druck nach Sicht des VBE Sachsen-Anhalt darin, dass die Beruflichen Gymnasien in Regionen mit mehreren Gemeinschaftsschulen bei der Bildung von Kooperationen völlig überfordert werde. Hinzu kommt noch, dass es zu einer Verschlechterung der Besuchsmöglichkeiten für Absolventinnen und Absolventen von Sekundarschulen mit erweitertem Realschulabschluss (mit erweitertem Mittleren Schulabschluss) und Wechslerinnen und Wechslern von Gymnasien kommen kann.

Wir als VBE Sachsen-Anhalt sehen die Gefahr, dass mit der Beschränkung der Auswahlmöglichkeiten und der Pflicht das Abitur als Abschluss anzubieten sich die Zahl der Gemeinschaftsschulen im Land reduzieren wird. Der VBE Sachsen-Anhalt lehnt diese vorgelegte Änderung ab.

Die Ausdehnung der Bildung von Schulverbünden über Grundschulen hinaus begrüßt der VBE Sachsen-Anhalt ausdrücklich. Insbesondere in Zeiten, auf denen der Mangel an Lehrkräften immer größer wird und die Schülerzahlen in einigen Regionen perspektivisch zurückgehen werden, sollte die Bildung von Schulverbünden immer der Schließung von Schulen, und damit auch der Schließung von Schulstandorten, vorgezogen werden. Allerdings sollten auch gegenwärtige Schulschließungspläne dann noch einmal auf den Prüfstand gestellt werden.

Gravierender jedoch ist die Festschreibung von Mindestschülerzahlen im Schulgesetz. Mindestens 25 Schülerinnen und Schüler, in Ausnahmefällen jedoch auch „nur“ 20. Damit sind insbesondere kleine und kleinere Grundschulen in ihrem Bestand gefährdet. Hier ist dringend Handlungsbedarf geboten.

Der VBE Sachsen-Anhalt lehnt die auch die vorgesehene gesetzliche Festschreibung der Höchstzahl von 29 Schülerinnen und Schüler pro Klasse ab. Über Jahrzehnte hinweg hat die Höchstzahl 28 betragen. Die Auslegung von Schulräumen, die Ausstattung von Fachunterrichtsräumen usw. wurde seitens der Schulträger auf 28 Personen ausgerichtet. Bereits in den letzten Jahren hat insbesondere an den Sekundar- und Gemeinschaftsschulen die Anwesenheit von Betreuungspersonal (Schulbegleitung, pädagogische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Schulsozialarbeiterinnen und -arbeiter u.a.) zu einer beengenden Situation und Platzverknappung in den Unterrichtsräumen geführt.

In allen anderen Paragrafen werden die oberste und die obere Schulbehörde ermächtigt, entsprechende Verordnungen zu treffen. Ausgerechnet an der empfindlichsten Stelle im Schulalltag, der Höchstschülerzahl einer Klasse, wird eine Zahl festgeschrieben. Eine Zahl, die den bisherigen Wert zwar nur geringfügig um 1 überschreitet, jedoch wesentlich mehr bedeutet. 29 Schülerinnen und Schüler plus 1 Lehrkraft sollen sich in Räumlichkeiten befinden, die historisch betrachtet, nicht mehr den Anforderungen an modernen Unterricht entsprechen. Augenmerk muss auch darauf gerichtet werden, dass die individuelle Förderung, die Arbeit mit Schülerinnen und Schülern im gemeinsamen Unterricht usw. darunter leiden, wenn die Anzahl der Personen im Raum zu groß ist.

Der VBE Sachsen-Anhalt fragt sich, wieso Zahlen in einem Gesetz festgeschrieben werden sollen, wenn die oberste Schulbehörde durch Verordnung andere Regelungen treffen kann.

 

Digitale Lehr- und Lernformen

Der VBE Sachsen-Anhalt befürwortet einerseits die Einführung der rechtlichen Grundlagen von digitalen Lehr- und Lernformen. Die Erfahrungen der Corona-Pandemie zeigen ganz deutlich, wie dringend die Zulassung und der Einsatz von digitalen Lehr- und Lernformen an den Schulen im Land ist. Vor allem die digitalen Lernformen können für Schülerinnen und Schüler, die über einen längeren Zeitraum (z. B. wegen Krankheit), von Vorteil sein. Für diese besteht dann die Möglichkeit, am fortlaufenden Unterricht an der Wissensvermittlung und -vertiefung teilzunehmen. Andererseits besteht für Schulen, die aus verschiedensten Gründen keinen regulären Unterricht (z. B. bei kurzzeitigem Schließen) für kurze Zeit durchführen können, die Möglichkeit der Fortführung des Unterrichts.

Der VBE Sachsen-Anhalt warnt jedoch einerseits dringend davor, die Möglichkeiten der digitalen Lehr- und Lernformen als Ersatz für fehlende Lehrkräfte zu nutzen. Der Unterricht, die Vermittlung von Wissen und Können sowie der Vertiefung, ist immer noch auch ein sozialer Prozess, der zwischen Lehrkraft uns Schülerinnen und Schülern erfolgt. Digitale Lehr- und Lernformen stellen eine Möglichkeit neben vielen anderen Möglichkeiten der Unterrichtsgestaltung dar.

 

Duales Lernen – Produktives Lernen im Regelschulbetrieb

Neu eingeführt und damit rechtlich verankert wird das Duale Lernen im Schulgesetz. Damit werden die bisherigen Projekte „Produktives Lernen in Schule und Betrieb“ und „Praxislerntage“ zu rechtlich gesicherten Lehr- und Lernformen. Allerdings ist für den VBE Sachsen-Anhalt fraglich, warum die Praxislerntage explizit genannt werden. Bereits seit 2014 gibt es eine ähnliche Möglichkeit der beruflichen Orientierung und Vorbereitung – die Praxistage. Sie sind im Erlass vom 25.06.2014 („Praxisorientierte Unterrichtsformen in der Sekundarschule, Gesamtschule, Gemeinschaftsschule und Förderschule“) geregelt. Dort ist auch das Schülerbetriebspraktikum auch näher geregelt.

Dass die oberste Schulbehörde in einer Verordnung das Produktive Lernen regeln soll, befürwortet der VBE Sachsen-Anhalt.

 

Qualifizierung für Seiten- und Quereinsteigenden gefordert

Die in § 30 Abs.4 vorgeschlagene Formulierung „Das für Schulwesen zuständige Ministerium kann in Ausnahmefällen zur Deckung des Lehrkräftebedarfs auch Lehrerinnen und Lehrer ohne Lehrbefähigung zulassen“ ist aus Sicht des VBE Sachsen-Anhalt völlig falsch. Personen, die über keine Lehrbefähigung verfügen, sind aus Sicht des VBE auch keine Lehrerin oder Lehrer. Vielmehr sind Seiteneinsteigende oder Quereinsteigende gemeint. Wenn das so gemeint ist, dann muss es auch so in das Schulgesetz aufgenommen werden.

Zu § 30 Abs. 5c: Dass Personen ohne Lehrbefähigung, die in der Schule unterrichten, sich zu Lehrkräften qualifizieren können und sollen ist für den VBE Sachsen-Anhalt sehr begrüßenswert. Die notwendigen Qualifizierungen und das Lehreranerkennungsverfahren müssen allerdings sehr schnell für die im System befindlichen Seiten- und Quereinsteigenden eingeführt werden.

 

Duales Studium im Schulgesetz verankert

Mit der Aufnahme des § 30 Abs. 5d zur „Erprobung innovativer Modelle, die eine die Absätze 5 und 6 erweiternde Lehramtsausbildungsstruktur vorsehen,“ wird die duale Lehramtsausbildung gesetzlich verankert – der VBE Sachsen-Anhalt begrüßt dies. Die duale Lehramtsausbildung könnte eine Möglichkeit sein, die Lehramtsausbildung insbesondere für die Sekundarstufe I attraktiv zu machen. Gerade im Sekundarbereich I, in den Schulformen Sekundarschule und Gemeinschaftsschule, wird sich der Lehrkräftemangel in den nächsten Jahren sehr dramatisch entwickeln.

 

Verpflichtende Kostenübernahme an Schulfahrten durch Erziehungsberechtigte

Die Anfügung des letzten Satzes in § 43 Abs. 1, nach dem die Erziehungsberechtigten auch die Pflicht haben die Kosten zu übernehmen, die „für die Teilnahme an ein- oder mehrtägigen Schulfahrten, an denen die Schülerinnen und Schüler im Rahmen der jeweiligen Entscheidung der Gesamtkonferenz der Schule teilzunehmen haben“, entstehen, begrüßt der VBE Sachsen-Anhalt ausdrücklich. Es gab immer wieder den Fall, dass Erziehungsberechtigte die Zahlung der Kosten nicht durchführten oder gar „kurz vor knapp“ die Teilnahme der Schülerin oder des Schülers ohne driftige Gründe absagten.

 

Erweiterung des Katalogs an Ordnungsmaßnahmen

Die Erweiterung des Katalogs an Ordnungsmaßnahmen (erst Androhung, dann auch Anordnung einer Ordnungsmaßnahme) kann der VBE Sachsen-Anhalt zustimmen. Ebenso begrüßenswert ist der Hinweis auf die nichtaufschiebende Wirkung von juristischen Maßnahmen seitens der Erziehungsberechtigten. Die Ergreifung von Ordnungsmaßnahmen erfolgt nicht aus Willkür seitens der Schule, sondern um einen geregelten Schulalltag, ein geordnetes Schulleben für die anderen Schülerinnen und Schüler zu gewährleisten.

In dem vorliegenden Entwurf der  Schulgesetznovelle werden an verschiedenen Stellen für die berufsbildenden Schulen weitere Aufgaben, Aufgabenbereiche ausgewiesen. Führen diese zusätzlichen Aufgaben nicht zu einer weiteren, zunehmenden Arbeitsbelastung an den berufsbildenden Schulen? Wenn die berufsbildenden Schulen zertifizierte Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen der Bundesagentur für Arbeit auch noch übernehmen sollen, sieht der VBE Sachsen-Anhalt eine zunehmende Wettbewerbsverzerrung hinsichtlich der etablierten freien Träger. Außerdem stellt sich für den VBE Sachsen-Anhalt die Frage, wie es um den Einsatz der zur Verfügung gestellten finanziellen Mittel bestellt ist. Wer erhält diese, der Träger der berufsbildenden Schulen (Landkreise bzw. die kreisfreien Städte)?

Auch die berufsbildenden Gymnasien werden durch „den Zwang“ als Kooperationspartner für die Gemeinschaftsschulen, um deren Überleben zu sichern, vor weitere zunehmende inhaltliche und organisatorische Belastungen gestellt.

Das alles sind für den VBE Sachsen-Anhalt noch ungeklärte und offene Probleme. Daher kann der VBE Sachsen-Anhalt diese Änderungen nicht mittragen.

 

vbe-redaktionsteam

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