…und der führt zu „doppelter Abwärtsspirale“

„Der Lehrermangel hat sich innerhalb eines Jahres deutlich verstärkt. Sagte letztes Jahr jede dritte Schulleitung, mit Lehrermangel kämpfen zu müssen, ist es jetzt jede zweite. Von den eigentlich zur Verfügung stehenden Stellen sind an den betroffenen Schulen durchschnittlich elf Prozent nicht besetzt. An mehr als jeder dritten dieser Schulen sind es sogar noch mehr. Der Mangel ist kein Randphänomen, er ist bestimmend für die Schullandschaft geworden“, kommentiert der Bundesvorsitzende des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE), Udo Beckmann, die Ergebnisse der vom VBE in Auftrag gegebenen forsa-Umfrage zur „Berufszufriedenheit von Schulleitungen“.

Die bundesweit repräsentative Umfrage unter 1.232 Schulleitungen allgemeinbildender Schulen und die Stichprobe für NRW wurden heute im Rahmen des Deutschen Schulleiterkongresses 2019 in Düsseldorf vorgestellt. Weitere Stichproben gibt es für Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz. Die Umfrage wurde nach 2018 zum zweiten Mal durchgeführt. Wie schon 2018 wurde erfragt, wie zufrieden Schulleitungen mit ihrem Beruf sind, was die größten Belastungsfaktoren sind und wo sie Verbesserungsbedarf sehen. Außerdem interessierte, welche Probleme es an der Schule gibt und ob sie vom Lehrermangel betroffen ist. Erstmals wurde 2019 danach gefragt, wie es um die Gesundheit des Lehrerkollegiums bestellt ist.

Der Mangel an originär ausgebildeten Lehrkräften führt vor allem zur Einstellung von mehr Seiteneinsteigenden. 45 Prozent der Befragten beschäftigen sie. Von diesen geben zwei von drei Schulleitungen an, dass die Seiteneinsteigenden nicht angemessen vorqualifiziert werden. Der VBE fordert eine mindestens halbjährige Vorqualifizierung. Studien (WZB und Bertelsmann Stiftung) zeigen zudem, dass sie überproportional häufig in Schulen in schwierigen sozialen Lagen eingesetzt werden. Beckmann zeigt auf: „Kinder, die auf Lehrkräfte angewiesen sind, die mit besonders viel pädagogischem Geschick bilden und erziehen, wird besonders viel Unterricht durch dafür nicht angemessen qualifizierte Seiteneinsteigende gegeben. Hier setzt sich eine Abwärtsspirale in Gang, die bald nicht mehr aufzuhalten ist. Und es gibt sogar eine „doppelte Abwärtsspirale“, denn die originär ausgebildeten Lehrkräfte werden in Zeiten des Lehrermangels immer stärker beansprucht. Jede dritte Schulleitung gibt an, dass die Zahl der langfristig aufgrund psychischer Erkrankungen Ausfallenden zunimmt. So produziert der Lehrermangel eine Verschärfung des Lehrermangels. Die jahrelange Fehlplanung und das maßlose ‚Draufsatteln‘ von Aufgaben rächen sich jetzt.“
Die Politik erhält insgesamt kein gutes Zeugnis der Schulleitungen. Nur 10 Prozent der Schulleiterinnen und -leiter fühlen sich durch die jeweilige Bildungsministerin bzw. den Minister unterstützt. Schulleitungen sehen das stetig wachsende Aufgabenspektrum (91 Prozent) und die steigenden Verwaltungsarbeiten (88 Prozent) als größte Belastungsfaktoren. 86 Prozent der Befragten sehen es als belastend an, dass die Politik bei ihren Entscheidungen den tatsächlichen Schulalltag nicht ausreichend beachtet. Und 84 Prozent der befragten Schulleitungen gaben an, dass sich durch die neuen Herausforderungen und Anforderungen an Schule, für „fast alle Lehrkräfte“ oder „für die meisten“ Mehrbelastungen ergeben. Mehr als ein Viertel der Schulleitungen empfiehlt deshalb ihren Job (wahrscheinlich) nicht mehr weiter. Und: Die Schulpolitik wird durchschnittlich mit einer 3,7 bewertet.

Der VBE-Chef kritisiert: „Die Politik sitzt Probleme so lange aus, bis es fünf nach 12 ist, und verliert sich dann im Klein-Klein reaktiver Maßnahmen. Verantwortungsvolle Bildungspolitik sieht anders aus. Sie orientiert sich bei der Bereitstellung von Ressourcen an den tatsächlichen und zukünftigen Aufgaben von Schule.“ So wünschen sich die Schulleitungen mehr Anrechnungsstunden (92 Prozent), eine bessere personelle Ausstattung –sowohl mit pädagogischen Fachkräften (87 Prozent) als auch mit organisatorischen Stellen, wie dem Schulsekretariat (70 Prozent) – und eine Erhöhung der Leitungszeiten bei allen Schulen (85 Prozent). Die erweiterte Schulleitung finden 78 Prozent eine gute Verbesserungsmöglichkeit, immer noch 73 Prozent plädieren für eine gesicherte Stellvertreterregelung. „Überall wird über Teamkultur gesprochen, aber die Schulleitung bleibt zum Einzelkämpfer verdammt und muss sich an den eigenen Haaren aus dem Sumpf ziehen! Das wird nicht auf Dauer gut gehen“, warnt Beckmann.

Die Schulleitungen identifizieren die Gesundheitsförderung an Schulen als einen Attraktivitätsfaktor für Bewerberinnen und Bewerber. Jedoch sagen 58 Prozent der Befragten, nicht ausreichend Möglichkeiten dafür zu haben, zur Gesunderhaltung der Lehrkräfte beizutragen. Neben der Reduzierung der Stundenzahl und dem Einstellen von mehr Personal, wünschen sie sich mehr Flexibilität im Stundenplan und mehr Möglichkeiten, Fort- und Weiterbildung anbieten sowie den Vertretungsunterricht gleichmäßiger aufteilen zu können.

Die Studie wurde auf dem Deutschen Schulleiterkongress veröffentlicht. Dieser wurde bereits zum achten Mal gemeinsam vom Verband Bildung und Erziehung zusammen mit Wolters Kluwer Deutschland GmbH ausgerichtet. Geschäftsführer Michael Gloss sagt: „Mit mehr als 2.500 Teilnehmern jährlich ist der DSLK die größte Plattform für Schulleitungen in Deutschland. Das hochkarätige Programm mit über 100 Vorträgen & Workshops von über 120 Top-Referenten spricht hierbei für sich. Wir, die Veranstalter des DSLK demonstrierten damit einmal mehr, welche elementare Verantwortung auf den Schultern der Schulleiterrinnen und Schulleiter lastet. Umso wichtiger ist es die schulischen Führungskräfte bei den alltäglichen Herausforderungen wie Leitung & Führung, Schul- & Unterrichtsentwicklung, Qualität & Schulkultur sowie bei Digitalisierung & mediale Kompetenz zu unterstützen. Denn nur starke Schulen sind das Fundament einer erfolgreichen Zukunft.“

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