Ist eine schulische Bildung im Bereich Finanzen sinnvoll oder benötigen wir vielleicht sogar ein Schulfach Finanzbildung?
Mein Sohn fast 20 Jahre alt und mit einem guten Abiturabschluss ausgestattet, fragte mich neulich, wie es eigentlich so funktioniert mit den Steuern und den Versicherungen, mit der Miete und den Nebenkosten und wie man Aktien handelt. Da schaute ich ihn an und fragte, ob er dies nicht in der Schule gelernt hätte? Seine Antwort war „Nein“. Als ich dann fragte, ob er eine Gedichtanalyse schreiben kann, vielleicht sogar in einer anderen Sprache, sagte er „Ja“. Und da ich ein guter Vater bin, zumindest hoffe ich es, habe ich mal angefangen und dem jungen Erwachsenen mit eigentlich sehr guter Bildung erklärt, wie die ökonomischen Zusammenhänge so aussehen und wie man die elementaren Dinge des Lebens erledigen kann.
Die Themen Miete, Nebenkosten, Steuern und Versicherungen waren schnell abgehandelt. Immer wieder kam von jugendlicher Seite ein verständnisvolles Nicken, manchmal auch eine gezielte Nachfrage. Aber besonders intensiv und vor allem interessiert, waren die Nachfragen beim Thema Aktien. Da funkelte es sogar in seinen Augen. Und sie kennen die jungen Leute von heute. Bevor da ein besonderer Glanz in den Augen entsteht, muss schon einiges passieren. Um die kleine persönliche Anekdote abzukürzen, mein Sohn besitzt mittlerweile seinen ersten eigenen Fond Sparplan und ist stolzer Besitzer von 20 Aktien einer aufstrebenden chinesischen Firma. Übrigens bin ich nicht der Sponsor dieses finanziellen Starts sondern er hat dies von seinen durchaus geringen finanziellen Mitteln selbst bewerkstelligt.
Nun könnte man meinen, ja gut, ist sicher ein Einzelfall. Aber wenn man sich die Jugendstudien des Bankenverbandes von 2018 anschaut, dann wird man feststellen, dass 84 Prozent der jungen Leute sich mehr Informationen zu wirtschaftlichen Zusammenhängen in der Schule wünschen. Wenn man dann noch weiter hinter die Kulissen schaut, sieht man, dass 82 Prozent der Jugendlichen nicht sagen können, wie hoch aktuell die Inflationsrate in Deutschland ist oder was Rendite bedeutet. Laut einer Forsa-Umfrage haben 25 Prozent der jungen Erwachsenen kein Wissen über das Finanzsystem. Ich glaube, dass dies mit Sicherheit kein Phänomen der jungen Menschen ist, aber auch wir Älteren sind durch dieses Schulsystem gelaufen und tun uns schwer mit diesen Themen. Oder wissen sie, was ein geschlossener und offener Fonds ist oder wie man in ETF´s investiert?
Sicherlich werden nun viele denken, bitte nicht noch mehr Inhalte in die ohnehin schon überfrachteten Lehrpläne. Diese Gedanken kann ich gut verstehen, doch soll Schule nicht auf das Leben vorbereiten. Und genau hier sehe ich wirklich Ansatzpunkte für eine Finanzbildung. Hinter Finanzbildung steckt nämlich viel mehr als nur das gewinnbringende Handeln von Aktien. Es geht um eine Vermittlung eines Grundverständnisses. Schüler*innen sollten Kenntnisse darüber erlangen wie das System von Politik, Banken und Versicherungen funktioniert. Sie sollten wissen, was eine Aktie darstellt und was hinter dem Begriff Liquidität zu verstehen ist. Auch die Kenntnis über das Funktionieren der Börsen und deren Auswirkungen mit ihren Schwankungen auf die Wirtschaftslage sind hochinteressant.
Und auch anderer Aspekt sollte für eine fundierte Finanzbildung sprechen. Aktuell leben wir in einer Zeit, in der das Verzinsen von Sparbuch und Festgeld nicht einmal ausreicht, um die jährliche Inflationsrate, also den Preisanstieg eines klar definierten Produktwarenkorbes, auszugleichen. Mit anderen Worten, das schwer verdiente Geld eines jeden Einzelnen verliert ständig an Wert anstatt sich zu vermehren. Auch ein Lieblingsanlageprodukt der Deutschen, die Lebensversicherung, steht aktuell mit ihren Renditen unter keinem guten Stern. Mittlerweile und dies ist die durchaus gute Nachricht, besitzen immer mehr Deutsche einzelne Aktien bzw. sind in Fonds jeglicher Art investiert. Leider denken viele der Deutschen, dass das langfristige Investieren in solche Anlageprodukte nur für Reiche und besser Verdienende möglich ist. Und genau hier liegt der Fehler im Gedankenspiel. Gerade mit kleinem und kontinuierlichem Sparen ist es möglich, wenn man nur frühzeitig genug damit anfängt, sich einen finanziellen Grundstock zu erwirtschaften. Vor dem Hintergrund des demographischen Wandels und den damit verbundenen Schwierigkeiten des Rentensystems eine durchaus sinnvolle Möglichkeit, für sich selbst eine gewisse finanzielle Basis zu erwirtschaften.
Bitte denken sie jetzt nicht, dass in mir vielleicht ein Bankberater und Versicherungsagent steckt. Nein, es ist einfach die Tatsache, die ich am Anfang dieses Textes beschrieben habe, die mich zu der Ansicht kommen lässt, mehr Wissen und Kenntnisse über die finanzpolitischen Zusammenhänge würden bei vielen Menschen eine ganz andere Herangehensweise an das Thema hervorrufen. Wer mehr weiß, kann sich auch kritisch mit den Dingen auseinandersetzen.
Ich habe vor einiger Zeit mit meinen Schülern an einem von der Sparkasse angebotenem Musterdepotwettbewerb teilgenommen. Der Sinn dahinter war der fiktive Handel mit Wertpapieren. Die Resonanz der Schüler war beeindruckend. Da kamen Ideen von Schülerseite, mit denen ich niemals gerechnet hätte. Sie beschäftigten sich sogar am Wochenende mit diesem Thema und dies ist bei meinen Schülern schon sehr ungewöhnlich.
Nun möchte ich noch einmal auf die Ausgangsfrage am Anfang dieses Exkurses zurückkommen. Sicherlich ist es nicht machbar, ein Schulfach Finanzbildung zu etablieren aber vielleicht denkt man einmal darüber nach, wo und in welchem Fach oder Zusammenhang man sich mit dem Thema Finanzbildung auseinandersetzen kann auch wenn es nicht explizit im Lehrplan erwähnt wird.
Ludger Thieler,
stellv. Landesvorsitzender