Kommentar zum Bericht der Expertengruppe zur Bestimmung des längerfristigen Lehrkräftebedarfs

Wer kennt ihn nicht, den Spruch vom „Ein bisschen Schwund ist immer“? Nun fällt der Einwohnerschwund in unserem Bundesland einer neuen Prognose (6. Regionalisierte Bevölkerungsprognose) zufolge deutlich schwächer aus. Eigentlich wäre dies eine erfreuliche Nachricht. Doch sie hat fatale Folgen. Es gibt einfach zu viele Schüler. Um genau zu sein, im Schuljahr 2025/26 werden gut 13,5 v. H. mehr erwartet, als bei der 5. Regionalisierten Bevölkerungsprognose prognostiziert wurden. Und nun? Da gibt es einen Koalitionsvertrag, der eine Absichtserklärung enthält, die von einer Unterrichtsversorgung von durchschnittlich 103 v. H. ausgeht. Nun ist die Faktenlage eine andere geworden und es steht die Notwendigkeit der Neubewertung der Einstellungsbedarfe im Raum. Sicher sind dies nur Prognosen, aber sie zeigen einen Trend, die Schülerzahlen bleiben die nächsten 15 bis 20 Jahre konstant hoch, und dieser sollte die Verantwortlichen und uns alle in höchste Alarmbereitschaft versetzen.

Ludger Thieler
stellv. Landesvorsitzender

Wer immer noch denkt, naja, das übliche Gerede von steigenden Schülerzahlen, der sollte sich folgende Zahl genau durch den Kopf gehen lassen. Für das Schuljahr 2030/31 ist zu erwarten, dass nur noch etwa 37 v. H. der Lehrkräfte des Schuljahres 2017/18 im Schulbetrieb tätig sein werden. Also ungefähr zwei Drittel der heutigen Lehrkräfte sind nicht mehr da. Ja genau, zwei Drittel und nicht etwa in den nächsten 30 Jahren. Nein, ein Schüler, der im Sommer 2018 eingeschult wird und vielleicht sein Abitur erfolgreich besteht, wird 12 Jahre zur Schule gehen. Nicht länger als eine normale Schulzeit eben, und dann steht das Schuljahr 2030/31 vor der Tür. Dabei sind die Annahmen noch mit positiven Hintergründen versehen. Frühzeitiger Austritt mit Erreichen des 63. Lebensjahres sollte möglichst nicht zu oft eintreten.

Dieses Szenario erfordert natürlich Konsequenzen. Auch dazu gibt es Zahlen und Prognosen. Wer nun denkt, diese könnten in eher leuchtenden Farben daherkommen, muss schon ganz viel Fantasie und Optimismus haben. Für den Zeitraum von 2017/18 bis 2030/31 beträgt der erwartete Einstellungsbedarf an den öffentlichen allgemeinbildenden Schulen ca. 9000 VZÄ (Vollzeitäquivalente). Heißt übersetzt, wir benötigen etwa 750 Lehrkräfte (öffentliche allgemeinbildende Schule, allgemeinbildende Schulen in freier Trägerschaft, berufsbildende Schulen) jährlich. Nun ist der Lehrerberuf eine wirkliche Berufung und man kann den jungen Menschen nur zurufen, werde Lehrer, aber bei den notwendigen Einstellungsbedarfen muss man schon sehr optimistisch sein. Wie viele Lehramtsstudierende müssten dafür zukünftig jährlich immatrikuliert werden? Nach einer Modellbetrachtung mit einer Studienerfolgsquote von 0,61 würde man etwa 1200 Studienanfänger benötigen. Dies bedeutet, dass wir mindestens 1200 Studienanfänger zur Bedarfsdeckung benötigen. Welche Konsequenzen dies für die Ausbildung an Uni und Vorbereitungsdienst hat, kann sich jeder denken. Auch die Schulen, die die vielen Studenten in den praktischen Übungen aufnehmen müssen, werden schon bald an Grenzen stoßen.

Aktuell sieht es so aus, dass die gegenwärtigen Lehramtsstudierenden (WS 2016/17) den Einstellungsbedarf in den Jahren 2018 bis 2023 nicht einmal zur Hälfte abdecken können. Wenn man sich nun noch die Unterrichtsbedarfe für die jeweiligen Fächer anschaut, wird jedem ganz schnell klar werden, in welcher prekären Situation wir uns befinden. Besonders die Kernfächer Mathematik, Englisch und Deutsch sowie die Fächer Physik, Chemie und Französisch benötigen dringend und in großem Umfang pädagogischen Nachwuchs. Dies gilt übrigens sowohl für das Gymnasium als auch in hohem Maße für die Sekundarschule. Doch genau hier liegt das Problem. Viele der Lehramtsstudierenden befinden sich eben nicht in diesen Fachrichtungen. Hinzu kommt, dass die Studiendauer für ein Lehramtsstudium (Anzahl Fachsemester) mit Ausnahme des Lehramtes an Grundschulen die Regelstudienzeit erheblich übersteigt.

Der Bericht der Expertengruppe zeigt im Detail, wie ernst die Lage wirklich ist, und gibt auch teilweise Antworten auf die dringenden Fragen. Nun gibt es zwei Szenarien, wie man auf diesen Bericht reagieren kann. Man krempelt die Ärmel hoch, trifft schnell kluge Entscheidungen, ohne viel Zeit zu verlieren, und ebnet so den Weg für eine am Bedarf orientierte Lehramtsausbildung, oder man lässt die Zeit vergehen, die wir nicht haben, zieht sich in Arbeitsgruppen zurück und hofft. Sollte das zweite Szenario eintreten, kann man jetzt schon sagen, wie die Verlierer der nächsten Jahre aussehen. Es sind die Mädchen und Jungen, die sich freuen, in die Schule zu kommen und auf das Leben vorbereitet zu werden.

Ludger Thieler
stellv. Landesvorsitzender

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